Der Trend geht zum Un-Boot?

Um es gleich klar zu stellen: das wird kein Hass-Artikel, noch nicht einmal eine Polemik. Ich lehne mich vielmehr entspannt zurück, nippe an meinem Sonntagskaffee und sinniere, warum diese merkwürdigen Wasserfahrzeuge, die man zunehmend auf unseren Gewässern sieht, derzeit so erfolgreich sind.

Ein Ferienhaus auf dem Wasser

Ein Ferienhaus auf dem Wasser

Zunächst der Versuch einer Klassifizierung:

  • Gruppe I, Einfach-Flöße
    Echte Floß-Konstruktionen: eine hölzerne Plattform auf Schwimmern montiert, darauf eine einfache Bretterhütte, hinten ein Außenborder angehängt (gerne mit weniger als 5 PS – also führerscheinfrei), fertig. Innen (vielleicht) Etagenbetten, Portapotti und Campingkocher.
  • Gruppe II, Haus-Boote
    Optisch von den Einfach-Flößen zunächst mal durch die Größe unterschieden. Meistens Katamarankonstruktionen mit Rümpfen aus Stahl oder Aluminium. Im Inneren wesentlich komfortabler, mehrere Schlafkammern, Küche, Heizung, manchmal sogar ein Kaminofen. Die einfacheren Varianten mit Außenbordmotoren, die nobleren mit Innenborder-Dieseln.

Innerhalb der Gruppen I und II gibt es unterschiedliche Größen und Komfortstufen und es gibt natürlich auch einen weichen Übergang zwischen den beiden. Ein Unikum hingegen ist Gruppe III,  und soweit mir bekannt ist, gibt es dafür auch nur einen einzigen Anbieter (der aber durchaus erfolgreich ist):

  • Gruppe III, der schwimmende Caravan
    Verchartert wird eine große schwimmende Plattform mit einem (Außenbord-) Motor, Steuerung und Beleuchtung. Den Rest bringen die Mieter selbst mit,  in Form ihres Wohnwagens oder Wohnmobils, das für die Dauer der Charter auf der Plattform verzurrt wird.
Wohnwagen in ungewohnter Umgebung

Wohnwagen in ungewohnter Umgebung

Was motiviert die Menschen, ihren Urlaub auf einem Floß, einem schwimmenden Bungalow oder in ihrem auf Schwimmer gesetzten Wohnmobil zu verbringen? Für alle, die es aufs Wasser zieht, gibt es doch schon lange Boote in jeder Größe und Komfortstufe zu mieten!

Der Preis kann es nicht sein, wie sich leicht feststellen lässt. Selbst ein simples 7-m-Floß mit Campingausstattung kostet im Sommer um die 800 € pro Woche – für wenig mehr kann man schon unseren Don Giovanni  bekommen! Komfortable schwimmende Häuser sind sogar eher teurer als richtige Boote.

Ich denke mir, bei den einfachen Flößen spielt wahrscheinlich Huckleberry-Finn-Romantik eine große Rolle. Man sieht sich vor seinem geistigen Auge den Mississippi abwärts treiben, neuen Abenteuern entgegen. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Nichts gegen Romantik. Und unsere Gewässer eignen sich nicht schlecht für solche Träumereien …

Die Haus-Boote werden wahrscheinlich vor allem wegen des Komforts gebucht. Denn es ist nun mal eine Tatsache: So ein Ferienhaus auf Schwimmern bietet im Verhältnis zu den Außenmaßen wesentlich mehr Innenraum als ein Boot.

Bei den Camping-Pontons muss ich mal raten. Ich könnte mir vorstellen, dass es für den typischen Wohnmobilisten wichtig ist, auch in der Ferne seine gewohnte Umgebung um sich zu haben. Und in seinem Caravan auf Pontons fühlt er sich auf dem ungewohnten Wasser gleich viel sicherer als in einem Charterboot.

Und bei allen gemeinsam ist wahrscheinlich Schwellenangst ein weiteres Motiv. So eine Motoryacht sieht irgendwie kompliziert aus. Trotz Charterschein-Regelung trauen sich manche da nicht so recht ran. Ein Holzfloß, ein schwimmender Bungalow oder ein Ponton mit Außenborder wirkt einfacher und leichter zu handhaben. Und man kann vermeintlich auch nicht so schnell etwas kaputtmachen wie bei einer Motoryacht. Drum fällt es Anfänger/inne/n leichter, ein unkonventionelles Wassergefährt zu mieten.

Boote

Boote

Vom Geschäftlichen her beunruhigen uns die Un-Boote nicht, im Gegenteil. Wir freuen uns, dass Menschen aufs Wasser gelockt werden, die sonst vielleicht nie einen Bootsurlaub gebucht hätten. Und der eine oder die andere wird vom Virus infiziert und möchte es wieder tun. Und vielen  wird dann klar, warum Boote so sind wie sie sind: Oh, mit einem richtigen Boot kann man ja auch bei mehr als drei Windstärken den See überqueren! Und man kann dank Gangborden stressfrei schleusen und anlegen, man muss auf dem Kanal nicht Zickzack fahren, kann im Hafen besser manövrieren …

Herzlich willkommen auf dem Wasser!

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3 Responses to “Der Trend geht zum Un-Boot?”

  1. Will Sagen sagt:

    Guck dir doch an, mit was für Leuten die Autos rumfahren. Die sind auch hässlich … und teuer. 😉

  2. Peter Lüsse sagt:

    Na gut, es gibt aber auch hässliche Skipper, dazu muß man nicht unbedingt so ein Ungetüm fahren.

    Aber Spaß beiseite, für mich gibt es keine logische Erklärung, warum diese Teile im Moment so gefragt sind. Ist es wirklich die Unwissenheit über die Wendigkeit, die Gemütlichkeit und das große Platzangebot eines richtigen Bootes?

  3. PeterW sagt:

    @Peter Lüsse: Logik hat ja den Vorteil, innerhalb ihrer Axiome stets zu funktionieren, auch wenn die Annahmen unsinnig wirken 🙂

    Ich kann das alles schon nachvollziehen. Leute ziehen mit dem Zelt im Rucksack durch die Natur, warum sollen sie das nicht auch auf dem Wasser tun? (Floß)

    Leute mieten sich im Urlaub hübsche, keine Ferienhäuser, warum nicht auch noch eines, das schwimmt?

    Leute miniaturisieren ihren Haushalt, hängen den dann an die Anhängerkupplung ihres Autos, fahren viele hundert km, um sich dann auf einem engen Campingplatz zu treffen, wrum sollen sie das nicht auch auf dem Wasser tun?

    Es hat schon alles, wie gesagt, seine eigene Logik. Wenn ich an meine eigene Boots“kariere“ denke – ich war früher glücklich, mit einem Joghurt
    becher französischer Herkunft untermotorisiert auf einem schnurgeraden, langweiligen Kanal unterwegs zu sein. Dass es auch „richtige“ Boote gibt, hab ich erst nach und nach so mitbekommen. Ist halt ein Prozess, den man so nach und nach erst durchmacht.

    Die Vorstellung, ein Ferienhaus (oder Wohnwagen) zu haben, das schwimmt, ist erstmal eine verlockende Vorstellung, solange man keine Ahnung von Wind, Schleusen, Marinas und so hat 😉