Samstag vormittag. Das Eis der Regenpfützen in der Marina Niederlehme knirscht unter den Bootsschuhen. Wir bunkern, was man für eine professionelle winterliche Bootsexpedition braucht: Kaffepads, Schokokekse, Spaghetti. Dann geht es los. Auf der Dahme begegnen wir noch einigen Kohleschubern, auf dem Seddinsee sind wir dann schon allein. Später kommen uns noch ein paar unverwüstliche Paddler und die Wasserschutzpolizei entgegen, aber keine einzige Yacht.
Wir biegen vom Flakensee auf die Löcknitz und fahren bei strahlender Wintersonne weiter nordostwärts. Am Ende des Möllensees, am äußersten Rand der Zivilisation, fällt nachmittags der Anker. Der UMTS-Stick sucht vergeblich nach einer Verbindung. Kein Netz.
Bald wird es dunkel. Es wird kälter. Es ist still. Nur das Fauchen der Zentralheizung ist gelegentlich zu hören. Es ist sternenklar. Der Wetterbericht kündigt -3 °C Frühtemperatur an. Um sicher zu gehen, lassen wir auch in der Nacht noch einmal für zwei Stunden den Generator laufen; denn wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass die Heizung wegen Spannungsabfall aussteigt. Gegen 4:00 Uhr hören wir es das erste Mal: Rummms! Wer da? Kniiirsch. Das Mondlicht zeigt: Eine dünne Eisdecke umgibt das Schiff. Gut zu wissen, dass der Rumpf aus 5 mm starkem Stahl besteht. Wir schlafen weiter.
Als am Sonntag morgen die Sonne über den kahlen Bäumen aufgeht, sehen wir, dass unsere Ankerbucht zugefroren ist. Andere Stellen des Möllensees sind noch frei. Das Boot ist reifbedeckt. Es ist schön, im winterlichen Morgenlicht so ganz allein auf dem See. Wir frühstücken im warmen Salon. Gute Idee, das mit der Fußbodenheizung!
Dann Anker auf und vorsichtig den Hebel nach vorne geschoben. Der Stahlrumpf der Anna K. schiebt sich durch die dünne Eisdecke. Erstaunliche Geräusche! Ein Stück weit freies Wasser, dann wieder Eis. Ich doziere: Wegen der Wärmestrahlung wird eine freie Seefläche schneller zufrieren. Auf schmalen Kanälen wird das Wasser noch frei sein, weil hier Bäume die Abstrahlung behindern. (So wie die Autoscheibe, die in Richtung eines Gebäudes ausgerichtet ist, nicht so schnell vereist.) Als wir aber in den Verbindungskanal zum Peetzsee einfahren, ist dort das Eis dicker als irgendwo sonst. Die Löcknitz weiter unten hat das mit der Wärmestrahlung besser begriffen. Sie ist weitgehend frei. Ab Flakensee kein Eis mehr.
Wir fahren auf der Müggelspree westwärts. Um die Mittagszeit sind wir das einzige Boot auf dem gesamten Müggelsee. Dort sind die Fahrwassertonnen im Winter nicht vorhanden, aber das kenne ich: Den Brauereischornstein auf der anderen Seiten anpeilen. Als wir in Niederlehme ankommen, steht die Sonne schon wieder dicht über den Baumwipfeln. Das Boot wird winterfest vertäut und die Heizung auf Frostschutz heruntergeregelt. Boot fahren im Winter? Cool! (Nicht kalt.)
Mehr Fotos zu unserem kleinen Wintertörn gibt es hier, und ein Video vom Fahren durchs Eis habe ich auf Youtube hochgeladen. (Unbedingt mit Ton abspielen!)
Tags: Brandenburg, Luxusyacht, Wetter, Wintercharter
Natürlich hält der Rumpf dem Eis stand. Auch in erheblich dickerer Form.
Nur wie sieht die Lackoberfläche an der Wasserlinie hinterher aus?
Tja, das war auch unsere Sorge. Wenn wir vorher gewusst hätten, dass wir durchs Eis müssen, wären wir wahrscheinlich nicht losgefahren. Wir konnten aber nach der Rückkehr zumindest bei oberflächlicher Sichtkontrolle keine Schäden feststellen. Wir werden im Frühjahr das Boot mal kranen und das Unterwasserschiff checken. Nach den zwei letzten Wintern mit jeweils dicken Eisschollen (in denen allerdings nicht gefahren wurde) haben wir das auch gemacht, und es war nichts zu sehen. Ich denke: man soll es nicht zu weit treiben, aber ein bisschen Eis kann der Rumpf (und seine Beschichtung) schon ab.
Wichtig ist wahrscheinlich auch die Geschwindigkeit, mit der die Eisstücken auftreffen. Ich bin nur mit Leerlaufdrehzahl durchs Eis gefahren und auch treibende Eisschollen treffen das Boot ja recht langsam.
Vielleicht haben ja die Kollegen von „yachtchartersneek“ Erfahrungswerte? Anfang November 2011 gabst Du uns den Link zu folgendem Filmchen: http://www.youtube.com/watch?v=jJoWQ_x6DHY&NR=1 und hattest erhebliche Bedenken, ANNA K. solchen Belastungen auszusetzen.
Wie sah es denn am Wasserpass der Kollegen-Yacht hinterher aus, zumal die Holländer ihre Yacht wohl deutlich stärker „eis-belasteten“.
Keine Ahnung, ich war über das Filmchen auch nur zufällig gestolpert. Ich vermute mal, dass die Eisfahrt bei den Holländern auch nicht so ganz vorgeplant war, aber sie haben eben – wie wir – das Beste draus gemacht. Vielleicht kriegen wir ja was darüber raus, wenn wir nächstes Mal in den Niederlanden sind.
Vielen Dank für den schönen Bericht! Der macht noch mehr Lust auf Wintercharter. Ich beobachte aber gerade mit Sorgenfalten die Wettersituation – wir wollen ja im Februar auf die Anna K. Die Fachauguren haben eigentlich einen milden Winter vorhergesagt, womöglich war das der falsche Kaffeesatz …
Ja, das sieht nicht gut aus. Ein sibirisches Hoch hat uns derzeit fest im Griff. Die Berliner Gewässer frieren von Tag zu Tag weiter zu. Das Problem ist: Wenn erstmal Eis da ist, taut es so schnell nicht wieder- selbst wenn die Temperaturen wieder etwas über null Grad steigen. Wenn irgend möglich würde ich über eine Verlegung der Tour in den März nachdenken. Wir wollen ja nicht, dass der Titel des obigen Artikels wörtlich umgesetzt wird…
Ihr müsst unbedingt eure Flotte erweitern:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7e/NSF_picture_of_Yamal.jpg
Aber im Ernst: Wir denken mal drüber nach, wird schon irgendwie klappen.
@ PeterW: Lass` Dich fürs ELWIS-Abo registrieren, dann hast Du neben dem Eisgang auch noch die dadurch bedingten Schleusensperrungen im Blick. Aber Achtung: ist gruselig! Hier der Link: http://www.elwis.de/abo/abo_start.php.html . Viel Glück für Euren Törn, JuG
Danke, JuG!
bez Eis: Lacht mich aus, wenn die Idee jetzt völlig bescheuert ist, aber soweit ich sehe, ist das Problem doch hauptsächlich im Ruinieren des Lacks begründet, solange das Eis nicht zu dick ist und z.B. ein Eisbrecher schon mal die Rinne frei gemacht hat. Die Anna K. müsste doch ansonsten die Festigkeit haben.
Man könnte doch zu einem Magnetschilderhersteller gehen, und sich da Material von der Rolle geben lassen, und eine schmale Bande auf Wasserlinie hinklacken.
Tja, so ähnliche Gedanken habe ich mir auch schon gemacht. Ein Magnetschild wird aber wohl nicht halten, das würde zu schnell verschoben, fürchte ich. Eher könnte ich mir vorstellen, ein Band aus Edelstahl anzuschweißen, rund um den Wasserpass und am Bug besonders breit. Ziemlich teure Aktion. Und selbst damit wäre es nicht realistisch, Eis von mehr als 2 oder 3 cm Dicke zu durchfahren. Anna K. hat nicht den flach ansteigenden Bug, mit dem sich Eisbrecher auf die Eisfläche schieben, um sie dann mit ihrem Gewicht zu brechen, und auch nicht genug Leistung dafür. Und dann gefährden dickere Eisbrocken womöglich auch noch den Propeller. Wir müssen den Wintercharter wohl auch weiterhin auf – weitgehend – eisfreie Perioden beschränken. Lass uns auf den März hoffen!
@Hansjörg: Ja, das ist wohl alles nicht so einfach, wenn es sich dann auch noch rechnen oder wenigstens auf Null aufgehen soll. Bei längerem Nachdenken ist es eh Quatsch. Entweder die Situation der Großwetterlage passt, oder halt nicht. Bei einer kritischen Lage loszufahren ist chartermäßig in einem engen Zeitfenster ja auch nicht so toll, irgendwann steckt man wirklich fest und man kann dann ein Taxi auf den Müggelsee oder so bestellen.
@ Peter: Wir glauben, so rein BWL-mäßig sollte man das Ganze nicht sehen.
ANNA K. ist schon `ne geile Hütte und man ist autark und warm auf ihr. Allerdings, bei der jetzigen Situation geben wir Dir recht: Denn jetzt ist offenbar die Dahme auch im südlichen Teil zugefroren oder es droht zumindest, obwohl ja eigentlich die Kohlenzufuhr nach Berlin gewährleistet sein sollte?
Da wird Wintercharter doch schon schwierig, weil – das Revier geht aus!
@JuG: Versteh mich nicht falsch, dass die Anna K. ne geile Hütte ist, durfte ich ja letztes Jahr in der Vorsaison auch schon erleben, alleine die Doppelverglasung und die Fußbodenheizung sind genial.
Das mit dem „sich rechnen“ habe ich etwas anders gemeint: So ein Schutzbereich um die Wasserlinie alleine nützt ja auch nichts, wenn man damit bei dünnem Eis gerade noch losfahren kann, aber man 3 Tage später irgendwo wirklich festfriert. Um dann da rauszukommen, bräuchte es ev. die anderen Eigenschaften eines Eisbrechers (Bugform, Schraubenschutz, mehr Leistung).
Wir wollten ja nächste Woche auf die Anna K, aber „dank“ dem Wetter muss man da gerade nicht mehr diskutieren (Immerhin ist es wenigstens mehr als eindeutig…). Jetzt hoffen wir nur, dass das bis Ende März noch was wird, soo sicher ist das ja inzwischen auch nicht mehr …