Posts Tagged ‘Segeln’

Sich hineinversetzen in andere

Sonntag, August 23rd, 2020

Neulich bin ich mal wieder mit meinem Segelboot auf dem See unterwegs. Es bläst recht kräftig, wenn auch etwas böig, aber insgesamt ist es eine Freude – und der See ist obendrein ziemlich leer. Nur eine Motoryacht ist in einiger Entfernung zu sehen. Sie kommt näher … hm, das ist Kollisionskurs. Jetzt kann ich erkennen, dass eine Männercrew auf dem Oberdeck sitzt. Solchen Booten weiche ich trotz Wegerecht in der Regel weiträumig aus, denn man weiß nie, ob nicht Alkohol im Spiel  ist. Ich segle aber vor dem Wind und Ausweichen würde entweder bedeuten in die gerade einfallende Böe hinein zu halsen, oder anzuluven und in die Abdeckung einer Insel zu segeln. Also denke ich was soll’s, ich bin ja unübersehbar, Platz ist auch, er wird schon ausweichen …

Aber nein, statt die Fahrt zu verlangsamen und/oder seinen Kurs um ein paar Grad zu ändern und hinter meinem Heck vorbeizufahren, setzt der Skipper seinen Kurs unbeirrt fort, möglicherweise beschleunigt er sogar. Uhh, das wird knapp … also das berühmte Manöver des letzten Augenblicks: hart anluven, Aufschießer. Puh, nochmal gut gegangen.

Ich gebe zu, ich habe eine Kanonade ziemlich unfeiner Schimpfwörter losgelassen, die ich hier nicht wiederholen werde.

Jetzt, wo der Puls wieder runter und das Adrenalin abgebaut ist, denke ich drüber nach: Was ist da passiert? Dass es Absicht war – also Mordversuch – kann man wohl ausschließen. Dass der Skipper nicht weiß, dass er Seglern ausweichen muss? Unwahrscheinlich. Er hat mich nicht gesehen? Hm, ein weißes Segelboot mit 8 m Mast und 12 m² Segelfläche? Eher nicht. Alkohol? Möglich, aber nicht sicher.

Am wahrscheinlichsten ist Folgendes: Er hat meine Geschwindigkeit unterschätzt. Im Kopf ist irgendwo abgespeichert „Segelboote sind langsam“ und damit, dass eine einfallende Böe einen Segler unvermittelt beschleunigen kann, rechnet er nicht. Ich beobachte das immer wieder: Fast alle Motorbootfahrer scheinen es unter ihrer Würde zu finden, den Hebel etwas zurückzuziehen und sicher hinter dem Heck eines gemächlich vorbeigleitenden Segelboots weiterzufahren. Fast alle geben Gas und versuchen, noch vor dem Bug vorbeizukommen. In der Regel klappt das, aber manchmal – siehe oben – auch nicht.

Wer sich auf dem Wasser bewegt, sollte eine ungefähre Vorstellung haben, wie andere sich dort bewegen (können). Auch wenn ich hart am Wind dem Leeufer immer näher kommend eine Wende mache und der neue Kurs den eines Motorboots kreuzt, dann mache ich das nicht aus Daffke. Wer nur eine ungefähre Ahnung hat, wie Segeln funktioniert, kann eine solche Situation voraussehen und völlig ohne Stress vorausschauend reagieren. Es geht auch nicht darum, unbedingt auf dem Vorfahrtsrecht zu beharren. Natürlich weiche ich einem Motorboot aus, dessen Skipperin offensichtlich gerade einen Steg ansteuert um anzulegen. Oder einem unsicheren Surfer, der Mühe hat, das Gleichgewicht zu halten –  obwohl hier natürlich streng genommen die gleichen Regeln gelten wie unter Segelbooten.

Einfach ein bisschen mitdenken … das würde in der Regel schon helfen. Dazu muss man nur eine ungefähre Ahnung davon haben, welche Bewegungsmöglichkeiten der andere hat und wie sich die Situation aus seinem Blickwinkel darstellt. Dann kann man vorausschauend und rücksichtsvoll fahren und alles bleibt entspannt. Das sollte eigentlich nicht nur auf dem Wasser gelten.

 

Segeln mit dem Monarch

Donnerstag, Juli 19th, 2018

Ich hatte ja versprochen, dieses Blog wieder ein wenig zu beleben. Hier nun ein etwas persönlicher Text, der nichts mit dem Bootcharter, aber viel mit dem Wasser und Booten zu tun hat.

Als ich acht Jahre alt war, nahm mich mein Onkel mit auf seine O-Jolle. Seitdem weiß ich: Segeln – das ist mein Ding. (Ich schrieb hier schon einmal etwas darüber.) Und mit 14 besaß ich mein erstes Boot – finanziert mit Geld, das ich zu meiner Konfirmation zusammengebettelt hatte: eine „Wespe“, eine kleine Sperrholzjolle.

Ich hatte nie Regatta-Ambitionen und habe nie den Atlantik überquert. Aber die längste Zeit meines bisherigen Lebens hatte ich ein Segelboot. Nach der Wespe eine O-Jolle (wie mein Onkel!), längere Zeit eine Monas und zuletzt viele Jahre ein Finn-Dinghy. Das Finn ist ein tolles Boot. Schnell, wendig – und anstrengend. Ich bin nicht mehr der Jüngste, und irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mich immer seltener aufraffte, das Finn segelfertig zu machen. Bis es schließlich eine ganze Saison an Land blieb. Da habe ich es verschenkt. (Das Finn tut heute bei einer Jugend-Seglervereinigung in Stralsund Dienst.)

Ein Jahr ohne Segelboot ging ins Land, und ein zweites. Dann war klar: Ich möchte wieder ein Boot. Um es ruhiger anzugehen diesmal wieder eines mit Kiel. Ein offenes Kielboot also, aber ohne Kompromisse einhand zu segeln. Wieder eine Monas? Ein sportliches, ausgereiftes Boot, aber mit 7 m Länge unnötig groß. Und 1,10 m Tiefgang mit festem Kiel werden auf Brandenburgischen Seen auch schnell mal zum Problem.

Entspanntes Segeln mit dem Monarch

Seit vergangenem Herbst bin ich nun  stolzer Besitzer eines Monarch, Baujahr 1995. Und tatsächlich, der Monarch ist genau das richtige Boot für mich! Dank selbstlenzender Plicht braucht er nur eine Segelpersenning – in knapp 10 Minuten ist das Boot fertig zum Lossegeln. Und segeln kann man damit wie mit einer Jolle; die Ähnlichkeit mit dem Finn ist unverkennbar (und wohl auch kein Zufall). Aber wenn man mal eine Bö verschläft und nicht schnell genug in den Gurten hängt, liegt man nicht gleich im Bach. Das Boot krängt; dann sorgt der Kiel für das nötige Gegengewicht. Natürlich, dieser wahnsinnig schnelle Antritt des Finn, wenn eine Bö einfällt … ausreiten, leicht abfallen und ab geht die Post … das geht mit dem Monarch nicht. Eher gemächlich nimmt er Fahrt auf. Aber man kann nicht alles haben.

Das Finn verzeiht keine Fehler, der Monarch ist gutmütig. Man kann durchaus sportlich damit segeln – ohne aber bei wechselnden Winden, wie sie auf Binnenrevieren ja die Regel sind, zu ständigen Turnübungen gezwungen zu sein. Entspanntes Segeln eben. Die Schot des (höchst effektiven) Baumniederholers ist nach hinten geführt, ebenso Vorliek- und Unterliekstrecker. Dazu noch der Traveller – mein Monarch hat alles, was ich brauche, um vernünftig zu segeln. Alles ist durchdacht angeordnet und gut zu erreichen; man merkt dem Boot die Ausgereiftheit an. Mit dem in Längsrichtung verschiebbaren Hubkiel muss ich noch experimentieren – eine geniale Sache, die es m.E. so nur beim Monarch gibt.

Und vorne ist Platz für Passagiere, die dort bequem und sicher sitzen. Als ich meinen kleinen Neffen im Finn mitnahm, war es ihm bei wenig Wind zu langweilig und frischte es auf, bekam er Angst. Jetzt ist der „kleine Neffe“ 24 Jahre alt und kein Segelfan geworden. Wer weiß, hätte ich damals schon einen Monarch gehabt, wäre es ihm vielleicht gegangen wie mir damals in der O-Jolle meines Onkels …

Die Segler wieder …

Mittwoch, Januar 11th, 2012

Bobby Schenk, der große Fahrtensegler, spricht mir aus der Seele:

http://www.yacht.de/schenk/n004/inwind07.html

und

http://www.yacht.de/schenk/n004/kosmos.html

Bei dem zweiten Artikel komme ich auch über die Yacht ins Grübeln. Nicht übel, oder? Und im Vergleich dazu, was sie bietet, auch nicht übermäßig teuer. (Danke an Julian B. für den Tipp)

Mit Seglern Motorboot fahren

Dienstag, Oktober 18th, 2011

Eigentlich wollten wir die beiden Sloepen schon ins Winterlager überführen, da kam ein Anruf: Britta Kunz, Journalistin beim Magazin „Segeln“ macht im Auftrag der Berliner Zeitung eine Beilage zum Thema: Berlin am Wasser.

Das liegt uns am Herzen, also haben wir das Kranen verschoben und mit Britta und Lucia eine Runde durch die Stadt gedreht. Mit dabei noch ein Berliner Seglerpaar, gewissermaßen als Fremdenführer für die Hamburger Journalistin. Das war nett. Wir haben es noch vor dem großen Regen zurück an den Steg geschafft. Und wieder mal die Erfahrung gemacht: auch mit Seglern kann man prima auskommen.

Neue Perspektiven: Berlin mit der Sloep erkunden

Neue Perspektiven: Berlin mit der Sloep erkunden

 

Mittelmeer-Sloepen

Samstag, November 13th, 2010

Wohl jeder, der schon mal am Mittelmeer war, hat diese Boote gesehen: bunt bemalte Fischerboote aus Holz, mit Einbaudiesel und manchmal noch einem  Lateinersegel.

Im Hafen von Cassis (Frankreich)

Im Hafen von Cassis (Frankreich)

Mit ihrer Spitzgattbauweise und dem steilen hoch aufragenden Steven sehen die Boote ausgesprochen klassisch aus. In Italien werden sie wohl „paranza“ genannt und auf Malta „luzzu“. Man könnte sich gut vorstellen, dass mit ähnlichen Wasserfahrzeugen schon zu Zeiten der alten Römer oder noch früher im Mittelmeer gefischt wurde.  Herkunft und Geschichte dieser schönen und seetüchtigen Boote würde mich interessieren.

Mittelmeer-Sloep

Mittelmeer-Sloep

Ihre Zukunft scheint auch gesichert, denn in fast jedem Mittelmeerhafen liegt eine mehr oder weniger große Flotte der Traditionsboote. Wenn ich es richtig verstehe, werden sie wohl vornehmlich zum nebenberuflichen bzw. Freizeit-Fischen genutzt. Aber eine Entwickung wie bei den größeren „gozzi“ oder wie bei den holländischen Sloepen – nämlich die Weiterentwicklung und Verfeinerung zum komfortablen Freizeitboot – hat es nicht gegeben. Dabei würden sich die farbenfrohen Boote mit ihren harmonischen Linien doch gut dafür eignen, oder?

Adieu, Susanna!

Mittwoch, Mai 26th, 2010

Jetzt ist es soweit: Susanna wechselt den Besitzer.

Es tut mir ja richtig Leid um die schöne Segelsloep. Wir hatten viel Freude mit ihr. Aber leider – sagen wir es offen – haben das nur verhältnismäßig wenige andere auch so gesehen. Wahrscheinlich dachten die Segler: „das ist ja eigentlich ein Motorboot, das kann bestimmt nicht ordentlich segeln“ und die Motorbootfahrer: „das ist ja eigentlich ein Segelboot, das ist bestimmt unbequem.“

Da kann man sich den Mund fusslig reden: Wer es nicht probiert hat, lässt sich nicht vom Gegenteil überzeugen. Und da wir das mit den Booten nicht (nur) zum Spaß machen, müssen wir die schöne Susanna halt abstoßen.

In der nächsten Saison wird unsere RB 22 auf den Boddengewässern von Rügen kreuzen. Dafür ist sie das ideale Boot; denn bei etwas kräftigerem Wind segelt sie richtig gut,  sie ist küstentauglich und hat trotzdem nur geringen Tiefgang. Aber uns glaubt ja sowieso keiner …

Dem neuen Besitzer wünschen wir viel Spaß und immer eine Handbreit Wasser unter den Kimmkielen!

Adieu, Susanna ...

Adieu, Susanna ...

Segler und Motorbootfahrer

Sonntag, Mai 16th, 2010

Ich muss mich jetzt mal outen: Ich bin ein Segler. „Was, wieso, ihr habt doch Motorboote im Angebot?!“ Stimmt, und Kajütbootfahren oder sloepen finde ich toll. Aber mit meiner kleinen Segeljolle (übrigens ein Finn-Dinghy, ja)  über den See zu schippern, ist ebenfalls ein großes Vergnügen. Ich verrate  euch ein Geheimnis: Man kann tatsächlich beides gut finden, ohne tot umzufallen.

Und ich setze noch einen drauf: Die meisten Leute, die Motorboot fahren, sind vorsichtig und rücksichtsvoll und wissen was sie tun . Und die meisten Segler sind freundlich, hilfsbereit und kommunikativ.

Warum erzähle ich hier solche Plattheiten? Weil wir in Deutschland  einen Hang zum Ideologisieren haben. Eine verhältnismäßig unwichtige Frage, nämlich welche Bootsart man bevorzugt, wird zur Identität hochgespielt. Bei Landverkehrsmitteln ist das noch viel schlimmer, wenn ich an das Gehabe zwischen Radfahrern und Autofahrern denke. Ich bin fast sicher, zwischen – sagen wir – Skifahrern und Snowboardern oder Keglern und Bowlern (das ist doch nicht ganz das Selbe, oder?)  gibt es ähnliche Aversionen.

Die niederländischen Segler (jedenfalls die meisten) kämen gar nicht auf die Idee, auf Motorbootfahrer herunterzuschauen und ihnen schlechtere Seemannschaft zu unterstellen. Und die niederländischen Motorbootfahrer (jedenfalls die meisten) halten Segler nicht für arrogante Schnösel.

Vielleicht können wir da was von unserem kleinen Nachbarland mit der großen Seefahrertradition lernen?